Reiseberichte

Hier finden Sie die Berichte über alle unsere Ausflüge und Reisen der letzten sechs Jahre.

Wir stellen uns jeweils die Frage, was an einem besuchten Ort charakteristisch ist, und denken manchmal über Zusammenhänge nach, die auf den ersten Blick nicht naheliegend sind. Einen Anspruch auf Vollständigkeit haben unsere Berichte nicht. Sie ersetzen also nicht die handelsüblichen Reiseführer.

Wenn Sie sich für ein Reiseziel besonders interessieren, dann sehen Sie sich auch die Ankündigung der betreffenden Reise an in der Rubrik Verpasste Gelegenheiten.

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 Colmar, 5. Dezember 2024

Den vierten und letzten Tagesausflug in diesem Jahr 2024 haben wir ausnahmsweise nicht an einem Samstag, sondern an einem Donnerstag organisiert. Am Tag nach dem Sturz der Regierung von Premierminister Michel Barnier sind wir nach Colmar gereist und haben die Stadt in der oberrheinischen Tiefebene besser kennengelernt. Die politischen Umwälzungen in der Hauptstadt haben uns kaum berührt.

In Colmar findet in der Adventszeit ein Weihnachtsmarkt statt, der Besucherinnen und Besucher aus aller Welt anzieht – am Wochenende sind es dann jeweils zu viele. Die Werbung für den Ort läuft auf allen Kanälen der globalisierten Welt, und so meldet CNN Travel am Tag vor unserer Reise:  There are plenty of wonderful Christmas markets to be found all over Europe. But few capture the imagination or revel in a fairytale setting quite like that of Colmar, in the Alsace region of France.

Wir treffen unsere Gruppe am Morgen im Zug, der kurz vor 9 Uhr morgens Basel verlässt. Draussen scheint die Sonne. Die feuchtkalten Nebel haben sich für unseren Besuch freundlicherweise etwas verzogen. Die Zugskomposition ist nicht neu, aber sie sähe gut aus, wenn sie von Zeit zu Zeit in eine Waschanlage gefahren würde.

Wir kommen in Colmar an, treten aus dem Bahnhof, blicken zurück und erblicken über dem Eingang die Keule des Herkules im Wappen von Colmar und die Jahrzahlen 1905 06. Der Bahnhof wurde gebaut, als Colmar wie das ganze Elsass zum deutschen Kaiserreich unter Wilhelm II gehörte.

Wir gehen vom Bahnhof geradeaus und kommen vorbei am Gebäude des Appellationsgerichts, erbaut zwischen 1902 und 1906 im Stil des Historismus. Der repräsentative Bau ist geeignet, um bei geringen Sündern und grossen Kriminellen Ehrfurcht vor der Justiz hervorzurufen.

Weiter gelangen wir zu einem Denkmal für den in Colmar geborenen Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi (1834-1904), das im Jahr 1907 eingeweiht wurde. Bartholdi kämpfte 1870 gegen die Deutschen und verherrlichte in seinem ersten Monumentalwerk, dem zwischen 1875 und 1880 in den Felsen gehauenen Lion de Belfort, den Widerstand Frankreichs gegen Deutschland. War er für die damaligen Behörden nicht ein Landesverräter? Sie erlaubten jedenfalls die Errichtung des Denkmals. Aus Grossmut, aus Toleranz, aus Opportunismus?

Im Park neben dem Denkmal steht ein massiver Wasserturm, erbaut in den Jahren 1884 bis 1886, der bis 1984 seinem ursprünglichen Zweck diente.

Wir gehen weiter, erblicken von weitem die Kapelle Saint-Pierre, die bis 1536 der Stiftskirche Payerne gehörte, und kommen schliesslich zum Flüsschen Lauch, auf dem Touristen in kleine Barken steigen. Wir gelangen in die malerische Altstadt, genauer in das Viertel, das sich la petite Venise nennt.

Das Flüsschen, die Fachwerkhäuser und allerlei Weihnachtsdekorationen bilden das fairytale setting, das hier eifrig fotografiert wird. Mein Bild zeigt die Stimmung an einem nebligen Morgen wenige Tage vor unserem Ausflug.

Wir gehen weiter durch belebte Gassen bis zum Martinsmünster, wo wir vor dem Tympanon über dem Portal der Südfassade halten. Dort wird auf einem Relief aus romanischer Zeit der Heilige Nikolaus von Myra dargestellt mit den drei jungen Frauen, die er mit seiner Grosszügigkeit, genauer mit drei Goldklumpen als zukünftiger Mitgift, vor dem Weg in die Prostitution rettet, und mit den drei Herren, welche sich dank dieser Grosszügigkeit motiviert zeigen, die drei Damen zu heiraten.

Von dort sind es nur wenige Schritte zum Musée Bartholdi, das der Stadt Colmar im Jahr 1907 vermacht wurde. Hier geht es wieder um  den Schöpfer der Freiheitsstatue in New York, dessen Erbe wir in Colmar besuchen, statt für unsere Weihnachsteinkäufe nach New York zu fliegen.

Wir fragen uns, an welche Freiheiten Bartholdi und seine Förderer und Sponsoren seinerzeit gedacht haben, und sprechen über die politischen Freiheiten, die in den Vereinigten Staaten und in Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts formuliert wurden. Die Grenzen dieser Freiheiten erwähnen wir auch.

Dann besichtigen wir das Museum, das die Entwicklung des Bildhauers und den Entstehungsprozess der Freiheitsstatue mit vielen Original-Modellen und mit informativen Schautafeln dokumentiert. Ursprünglich träumte Bartholdi von einer Monumentalstatue an der Einfahrt zum Suezkanal. Realisiert wurde schliesslich die Statue La liberté éclairant le monde, das 1886 eingeweihte Geschenk der Republik Frankreich an die Vereinigten Staaten zum hundertjährigen Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung von 1776.

Nach einer Mittagspause besuchen wir das Musée Unterlinden, wo wir auf dem Weg zum Isenheimer Altar Bilder von Lukas Cranach (Melancholie) und Martin Schongauer (Orlier-Altar: die Verkündigung) betrachten.

Üblicherweise geben wir auf unseren Reisen und Ausflügen in Museen keine Kommentare zu einzelnen Kunstwerken ab. Beim Isenheimer Altar machen wir eine Ausnahme. Wir stellen den Heiligen Antonius vor, der sich als Einsiedler und Asket in die ägyptische Wüste zurückgezogen hatte, der dort von Dämonen angegriffen wurde und über den im 4. Jahrhundert berichtet wird. Im 11. Jahrhundert kamen die Reliquien des Heiligen in die Dauphiné und der Antoniterorden wurde gegründet, der sich um Menschen kümmerte, die wegen Vergiftungen mit dem Mutterkorn-Pilz an Ergotismus, am damals so bezeichneten Antoniusfeuer, erkrankt waren. Antonius wird meist mit einem Stab dargestellt, der am oberen Ende wie der griechische Buchstaben Tau geformt ist, und mit einem Schwein, weil die Schweine des Ordens Privilegien genossen, von denen andere Schweine nur träumen konnten.

Auch wenn vieles in den Altartafeln aus den Jahren 1512 bis 1516 erklärbar ist, bleiben doch Fragen offen. Welche Rolle spielt der mit Federn geschmückte, grüne Engel Luzifer im Konzert der Engel? Warum hält der musizierende Engel im Vordergrund den Bogen verkehrt? Spielt er himmlische Musik? Oder ist er mit dem Satan verbündet? Auch die Frage bleibt offen, die der von Dämonen geschlagene Antonius laut Legenda aurea ausspricht und die der Maler auf einem Zettel in lateinischer Sprache im Bild zeigt: Wo warst du, guter Jesus, warum bist du nicht erschienen, um meine Wunden zu heilen? Eine Frage, die sich die Kranken, die an schmerzhaften Geschwüren litten, wohl auch stellten.

Wir lassen die Mitreisenden ziehen, die die Weihnachtsmärkte besuchen wollen, und gehen noch in die nahe Dominikanerkirche. Dort kann die Madonna im Rosenhag von Martin Schongauer aus dem Jahr 1473 betrachtet werden, ein ruhiges, harmonisches Bild, das uns auch gefällt.

Wien, Ljubljana, Triest, 15. – 26. Oktober 2024

Normandie, 4. – 15. September 2024

Biel / Bienne, 24. August 2024

Thun, 29.Juni 2024

Rom, 13. – 22. Februar 2024

Aarau, 20. Januar 2024

Sizilien, 29. Oktober – 14. November 2023

Surselva, 21. Oktober 2023

Bad Säckingen, 9. September 2023

Franche-Comté und Burgund, 5. bis 12. Juli 2023

Schaffhausen, 20. Mai 2023

Chambéry und Turin, 22. bis 30. April 2023

Neuchâtel (Neuenburg) und Môtiers, 18. Februar 2023

Glis, Brig und Raron, 17. September 2022

Bourges, Tours, Le Mans, Angers, Chartres, 3. – 11. September 2022

Zweisimmen und Blankenburg, 20. August 2022

Über die Alpen von Augsburg nach Trient, 9. – 17. Juli 2022

Einsiedeln und die Ufenau, 28. Mai 2022

Neapel und die Küste von Amalfi, 9. – 17. März 2022

Lausanne, 19. Februar 2022

Wettingen und Baden, 30. Oktober 2021

Rosinen der Renaissance in Italien, 2. – 9. Oktober 2021

Bulle und Gruyères, 18. September 2021

Gotische Kathedralen in der Champagne und der Picardie, 21. – 29. August 2021

Sommer in der Romandie, 3. – 10. Juli 2021

Tolstoi, Wagner und Nietzsche in Luzern, 12. Juni 2021

Genf – auf den Spuren von Calvin, Rousseau, und Dunant, 8. Mai 2021

Sion, 6. März 2021

Kulturreise Graubünden, 19.-25. Oktober 2020

Fribourg/Freiburg und Hauterive, 17. Oktober 2020

Was hat Bern im Jura verloren? Delémont, 15. August 2020

Kulturreise Tessin (Sopraceneri), 18.-23. Juli 2020

Burgdorf und Lützelflüh, 4. Juli 2020

Erasmus von Rotterdam in Basel, 20. Juni 2020

Ausflüge und Reisen in Zeiten des Virus, März 2020

Mailand, Pavia, Genua , 1.-8. Februar 2020

La Chaux-de-Fonds, 18. Januar 2020

Montbéliard, 7. Dezember 2019

Von Baku nach Bern auf dem Landweg, 20.-29. November 2019

Baku, Aserbaidschan, 13.-20. November 2019

Biel, Ligerz, Neuenburg, Dürrenmatt – 2. November 2019

Solothurn – 5. Oktober 2019

Avenches und Saint-Maurice – 7. September 2019

Brugg, Habsburg, Königsfelden – 3. August 2019

Besançon – 6. Juli 2019

Moudon, Ropraz, Jacques Chessex – 1. Juni 2019

Sursee, Buttisholz, Ruswil – 4. Mai 2019

Trachselwald – 6. April 2019

Stadtrundgang Bern – 2. März 2019

Tulpen und andere Blüten – anfangs Februar 2019